Vom Weinimporteur zum Autobauer

Mit umgemodelten E-Autos aus China will Lars Stevenson den Automarkt aufmischen. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Unternehmer aus der Pfalz nicht.

Lars Stevensons interessiert sich für Astronomie und Quantenphysik. Mit vierzehn hat er schon Software programmiert, später zwei KI-Unternehmen gegründet und mit einem sogar den Deutschen Innovationspreis gewonnen. Pfälzer Wein nach China importiere er in großen Mengen, in Peking hat er einmal ein Restaurant für Flammkuchen eröffnet, Öl aus Jordanien vermittelt und eine magnetokalorische Heizung entwickelt. Jetzt sitzt er in seinem frisch bezogenen Büro im Gewerbegebiet des Pfälzer Weinörtchens Bad Dürkheim und nimmt sich eben mal die Autoindustrie vor. Elektroautos will er verkaufen, nach seinen Wünschen in China gebaut. Elaris, eine europäische Automarke aufbauen, bezahlbare Autos fürs Volk.


So unglaublich seine Geschichte ist, so schwer ist der Dreiundfünfzigjährige zu fassen. Hört man ihm zu, scheint es das Einfachste auf der Welt zu sein, Autos in China fertigen zu lassen und nach Europa zu exportieren. Die Elektromobilität ändere eben alles, sagt er. Autobauen sei heute ein bisschen wie einen PC konfigurieren: Einzelteile aussuchen, verändern, zusammenbauen lassen. Einer, der mit gerade mal drei Dutzend Angestellten die versammelte Autokonkurrenz vor sich hertreiben will, müsste eigentlich ein Lautsprecher sein. Aber das ist Stevenson nicht. Fast introvertiert wirkt er, leise. Einer, der eher beiläufig erzählt, ein bisschen schlitzohrig, das auch. Ob er ein Glücksritter sei, ein Abenteurer? „Visionär“, sagt er, „Visionär gefällt mir besser.“

Stevenson ist auch nach zwei Stunden Gespräch kaum zu durchschauen. Fakt ist seine Autos stehen da: der Kleinwagen Dyo, der SUV Beo, die Limousine Jaco, der Kompaktwagen Lenn. Allesamt von Auftragsfertigern in China gebaut. Drei große, in Europa kaum bekannte Unternehmen: Dorcen, Skywell und GAC. Deren Standardmodelle würden nach seinen Wünschen für den europäischen Markt umgebaut und angepasst, wie eine Art Baukastenmodell: Die Batterien kämen von BYD und CATL, der Innenausbau vom bayerischen Mittelständler Koller, nach Ankunft in Bremerhaven würden die Autos mit der eigenen Software versehen, und zwar auf Basis von Android. Das sei günstig und schnell, zudem könne Elaris alle Daten in Deutschland speichern. „Wir sind der erste DSGVO-konforme Autobauer.“ Zwei Wochen Fertigungszeit, acht Wochen Lieferzeit, bezahlt würden die Hersteller nach Eingang der Bestellung.

In acht Wochen erwartet Stevenson die ersehnte Herstellerlizenz vom Kraftfahrtbundesamt, dann könnten alle Autos mit dem eigenen Markenlogo versehen werden nicht mehr mit dem der Lieferanten. Und günstig will Elaris sein. Der stattliche SUV Beo soll 45.000 Euro kosten, alternativ – mit einer Laufleistung von 10.000 Kilometer ist er monatlich für 299 Euro zu mieten.

Warum die Chinesen gerade mit ihm zusammenarbeiten, einem Newcomer aus Deutschland? In China zählten Netz- werke, Personen, Vertrauen mehr als alles andere, sagt er. Und Netzwerk heißt bei Stevenson: Familie. Sein verstorbener Vater nach Stevensons Worten Humangenetiker aus Malaysia, der an der Uni Heidelberg lehrte – habe siebzehn Geschwister, seine Großmutter stamme aus China, die Nachkommen seien in Asien verstreut, er selbst sei schon von Kindesbeinen an oft in China gewesen. Wann immer es Fragen gibt, lautet Stevensons Antwort: Familie. Ein Onkel habe für VW den Standort in Schanghai aufgebaut, eine Tante arbeite in der Handelskammer, zwei Cousins bei Auftragsfertigern. So sei es ihm auch gelungen, für sein Weingeschäft den lukrativen Importeurstatus zu bekommen.

Die mit einem Pfälzer Winzer hergestellten Weine importiert Stevenson nach eigenem Bekunden immer noch. Als die Debatte um „Greta“ und den Klimawandel hochgekocht sei, habe sich allerdings sofort sein Unternehmergen neu gemeldet, sagt er. Unternehmer wollten schließlich keine kleinen Hügel besteigen, sondern den Mount Everest. Gemeinsam mit einem Porsche-Manager sei er nach China gefahren und bald schon mit Verträgen zurückgekommen.

30 Millionen Euro hätten er und seine Partner investiert, dazu Kredite aufgenommen und einen Genussschein emittiert. Als Minderheitspartner nennt er die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft Neon Equity und die Neu-Ulmer Factonet Holding. Derzeit liefen Verhandlungen über eine weitere Finanzierungsrun-de. Aufsichtsratschef der AG ist Lutz Leif Linden, Geschäftsführer des Automobil- Clubs von Deutschland, kurz AvD.

Einen herben Rückschlag musste Elaris in seiner kurzen Geschichte schon hinnehmen: die gescheiterte Kooperation mit Lidl. Vor zwei Jahren wollte der Kölner Autovermittler Like2Drive den Kleinwagen Dyo, damals noch unter dem Namen Elaris Finn, für 222 Euro Monatsleasing über den Discounter vermarkten. Doch das Geschäft scheiterte kurzfristig an Namensrechten, Elaris konnte oder durfte nicht liefern. In Deutschland habe ein anderer Anbieter den Markennamen Finn für sich beansprucht, sagt Stevenson. Elaris hätte nicht nur das Logo wechseln müssen, sondern etliche Tests für die Zulassung neu durchlaufen.

Den Vertrieb will Stevenson jetzt klassisch über Autohäuser angehen. Versuche, die Wagen nur online oder ausschließlich über die Plattform „Autohelden“ zu verkaufen, hat er beendet. Die Nachfrage der Autohändler, vor allem aus dem VW-Lager, sei groß. Autohäuser stünden unter Druck, weil in der Elektrowelt das lukrative Wartungsgeschäft von Verbrennermotoren wegfalle. Zudem biete Elaris den Händlern eine höhere Marge als VW. 200 Händler habe Elaris schon unter Vertrag, noch in diesem Jahr soll die Zahl auf 350 steigen.

Seit ein paar Tagen läuft das „Guerilla Marketing“. Auf Social Media und Pro Sieben wirbt der „Bierfluencer“ Clemens Brock für die Marke, zudem sponsert Elaris Union Berlin. Mit einer gezielten Marketingaktion will Elaris zudem alle AvD- Mitglieder ansprechen. Im nächsten Jahr hofft Stevenson, 12.500 Autos zu verkaufen und 600 Millionen Euro umzusetzen. Pläne für einen Börsengang an der Münchner Börse hätten er und seine Partner wegen des unsicheren Marktumfeldes zurückgestellt. Aber das sei vielleicht gar nicht schlecht. Banken hätten das Unter- nehmen für den Börsengang mit knapp 500 Millionen Euro bewertet. „Vielleicht sieht das in ein paar Monaten ganz anders aus.“ BERND FREYTAG

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/elaris-gruender-stevenson-vom-weinexporteur-zum-autobauer-19268207.html

Leave a Comment